Kund:innen verstehen und abholen können

10.01.2022
Lesedauer: 6 min.

Die Kundenempathie, also das Einfühlungsvermögen gegenüber Kundinnen und Kunden ist ein wichtiger Aspekt für eine gelungene Kommunikation. Gerade in der sehr rationalen Geschäftswelt wird diesem Thema zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Wo immer Menschen kommunizieren, gibt es eine emotionale Ebene, die es zu berücksichtigen gilt. Um das Gegenüber im Allgemeinen besser zu verstehen oder von eigenen Ideen zu überzeugen, gibt es eine Reihe an Methoden, um die sogenannten Soft Skills zu trainieren.  

 

Gerade im Erstkontakt ist die passende Anwendung der Soft Skills entscheidend, um eine gegenseitige Sympathie zu erwirken. Sympathie und Aufgeschlossenheit bilden einen wichtigen Grundstein für eine gelungene und nachhaltige Zusammenarbeit. Für Dienstleister:innen bedeutet das beim ersten Kontakt der Auftraggeberin oder dem Auftraggeber volle Aufmerksamkeit zu schenken und aktiv Interesse an der Idee oder dem Auftrag zu signalisieren. Es wird dabei nicht nur geschäftliches Interesse, sondern auch persönliche Wertschätzung gegenüber der Kundin oder dem Kunden signalisiert. Warum dies so wichtig ist, zeigt ein Exkurs in die Bedürfnispyramide von Abraham Maslow. In dieser Pyramide werden die menschlichen Bedürfnisse hierarchisch geordnet.

1. Selbstverwiklichung (Persönlichkeit & Kreativität)
2. Individualbedürfnisse (Macht & Wertschätzung)
3. Soziale Bedürfniss (Zugehörigkeit in einer Gruppe)
4. Sichherheitsbedürfnisse ( Ein Dach über dem Kopf)
5. Physiologischebedürfnisse (Hunger & Drust)
Eine detailierte Beschreibung findest du hier.
 

Erst die Befriedigung einer Stufe, erlaubt es die nächste Stufe zu optimieren. Unser Kulturkreis hat weitestgehend die Basis, die existentiellen Bedürfnisse, wie Hunger und Durst gestillt, allerdings hat Marslow laut dem Buchautor Harry Holzheu einen wichtigen Aspekt erst in der dritten Stufe eingefügt: Die Zuwendung. Jeder Mensch hat das Bedürfnis nach Zuwendung, beziehungsweise Wertschätzung, die durch Zuneigung entsteht. Das ist unabhängig von den befriedigten Grundbedürfnissen, so auch bei den jeweiligen Gesprächspartnerinnen oder Gesprächspartnern. Drei Sekunden volle Zuwendung reichen aus, um das Gegenüber glücklich zu machen und einem Gespräch positive Kraft zu verleihen. Diese Zuwendung wird Menschen durch die oben erwähnte ungeteilte Aufmerksamkeit vermittelt und suggeriert Liebe, auch im Fall einer Kundin oder eines Kunden. Dafür wäre allerdings „Nächstenliebe“ der passendere Begriff. Das Gegenteil von (Nächsten-)Liebe ist folglich nicht Hass, sondern Gleichgültigkeit und kreiert im Gegensatz zu dem positiven Verstärker Zuneigung einen negativen Verstärker. Das bedeutet emotional gesprochen eine der härtesten Strafen für einen Menschen, somit auch für Kundinnen und Kunden in der Geschäftswelt. Die Reaktion einer Gesprächspartnerin oder eines Gesprächspartners beschränkt sich auf zwei Optionen: „Ja, ich stimme zu“ oder „Nein, ich sehe das anders“. Das bedeutete eine Annahme oder Ablehnung des angebotenen Gefühls. Es spielt dabei keine Rolle welche Option gewählt wird, da sich in beiden Fällen das Gegenüber durch aktives Zuhören verstanden fühlt. Das bedeutet, es wurde ein sogenannter emotionaler Rapport und eine Kundenempathie hergestellt. Befindet sich eine Fotografin oder ein Fotograf gerade im Erstkontakt mit einer potenziellen neuen Kundin oder Kunden, ist das Wissen über die Tragweite der Kundenempathie maßgeblich für eine effektive Auftragsabwicklung. Entscheidend ist vor allem der subjektive Eindruck der Kundinnen und Kunden, die am Ende für die Dienstleistung bezahlen. 

 

Um ein größeres Bewusstsein für die Kundenempathie zu schaffen, ist das Wissen über ein psychologisches Phänomen mit dem Namen „Dunning-Kruger-Effekt“ von Vorteil: Im Jahr 1999 veröffentlichten die beiden US-amerikanischen Psychologen David Dunning und Justin Kruger ihre Arbeit zum Thema Selbstvertrauen und Unwissen. Auslöser für Ihre Forschung in diesem Gebiet waren zwei Banküberfälle in Pittsburgh, die am helllichten Tag von einem unmaskierten Mann durchgeführt wurden. Der Mann wurde bereits wenige Stunden später verhaftet. Er selbst war von seiner Verhaftung verwundert, hatte er sich nicht extra Zitronensaft, seines Wissens nach einem Elixier für unsichtbare Tinte, ins Gesicht geschmiert, um für das Personal und die Sicherheitskamaras folglich unsichtbar zu sein. Seine Dummheit, aber zugleich das Selbstvertrauen in seine Handlung faszinierte damalig die beiden Psychologen, die daraufhin die Arbeit mit dem Titel: „Unskilled and Unaware of It: How Difficulties in Recognizing One's Own Incompetence Lead to Inflated Self-Assessments“ – kurz: Sich seiner eigenen Inkompetenz nicht bewusst sein, steigert das Selbstvertrauen mit oberflächlichem Wissen in Fachgebieten. Der Artikel zeigt die Ergebinsse, warum Menschen dazu neigen, übermäßig optimistische und falsch eingeschätzte Ansichten über sich selbst zu haben. Ihre Vermutungen gehen davon aus, dass Menschen mit begrenzten Kenntnissen in einem bestimmten Bereich eine doppelte Belastung erleiden: Das ziehen von falschen Schlüssen, wodurch Fehler begangen werden, und die folgende Unfähigkeit die eigene Inkompetenz erkennen zu können. 

Dieses Wissen ist daher absolut von Vorteil, wenn man mit Kundinnen und Kunden kommuniziert: in deren Wahrnehmung steckt möglichweise genau dieser Effekt, der einen mangelnde Wertschätzung für die Dienstleistung oder gar ein Unverständnis für Arbeitsaufwände zu Folge haben kann.


Quellen:
Holzheu, H. (2010). Vertrauen gewinnen. Empathie und Offenheit in der Führungs- und Verkaufskommunikation. Springer. 

Kruger, J., Dunning, D., (1999). Unskilled and Unaware of It: How Difficulties in Recognizing One's Own Incompetence Lead to Inflated Self-Assessments. Journal of Personality and Social Psychology, Vol. 77, No. 6., 121-1134.